Aus der gekürzten Ansprache
von Ortsheimatpfleger Norbert Becker, Padberg, anläßlich des 10jährigen
Bestehens der Abt. Hoppecke-Diemel am 14.9.1991
(Angaben über Art und Datum der Veröffentlichung sind nicht bekannt.)
Sollten Sie heute oder früher schon einmal auf dem Fernwanderweg X 15 (Dillenburg - Paderborn) gewandert sein, konnten Sie Padberg von seiner schönsten Seite sehen. Von der Diemeltalsperre kommend gewinnen Sie einen herrlichen Blick auf Padberg. Er beginnt "Auf der Lauke" und hält lange an, während Sie "Unter dem Hömberg" unserem Dorf entgegenwandern. Sie sehen es von Bergen umrahmt. Aus den Häusern ragt unsere große, doppeltürmige Kirche dominierend heraus. Am Waldrand unseres 519 m hohen Hausberges (Alter Hagen) sehen Sie eine 2. Kirche mit spitzem Turm, die "alte Kirche".
Damit bieten sich Ihnen auf einen Blick die steinernen Zeugen von fast 1000 Jahren Padberger Geschichte. In einer 1030 in Merseburg von Kaiser Konrad II. gesiegelten Urkunde ist erstmals ein mehrere Dörfer umfassendes Landgut eines gewissen Grafen Bernhard Pathberch genannt. Die erste Nachricht über die alte Kirche, eine Petruskirche aus der Karolingerzeit, stammt aus dem Jahre 1057. Unsere doppeltürmige Pfarrkirche St. Maria Magdalena ist 1911-1915 erbaut worden. So präsentiert sich Ihnen, während Sie beschaulich wandern, Padbergs kirchliche Geschichte vom Mittelalter bis in unser Jahrhundert.
In dieses Geschichtsbild will ich zwei weltliche Bauwerke einpassen, zwei Burgen: Sie sind zwar nicht mehr ohne weiteres sichtbar, aber erwandert werden können sie noch immer. Die eine Burg war auf dem Alten Hagen, die andere auf dem Berg gegenüber, auf dem Neuen Hagen. Von beiden Burgen finden Sie nur noch Ruinen bzw. Steingeröll. Auf diesen Burgen haben die Grafen von Padberg gelebt und nach deren Aussterben ein adeliges Geschlecht, das sich die "Herren von padberg" nannte. Zwischen den beiden Burgen liegt auf einem Höhenrücken unser Dorf Padberg.
Im Mittelalter, als die Burgen noch Schutz und Wohnung für die adeligen Herren, ihre Familien und ihr Gesinde boten, war Padberg eine Stadt, die Marktrechte besaß und von Wällen mit Palisaden bzw. Mauern umgeben war. Die Wehranlagen umschlossen die Stadt wie ein Ring. Ab dem 14. Jahrhundert wird deshalb in alten Urkunden auch vom "Ring Padberg" gesprochen, dem eine bedeutende Rolle im ganzen östlichen Westfalen zukam. Die Padberger adeligen Geschlechterfolgen haben sich einige Male in bestimmte Linien geteilt, aber mit diesen "Familiengeschichten" und den zahlreichen Erpos, Gottschalks, Friedrichs usw. von Padberg möchte ich Sie nicht behelligen. Vielmehr möchte ich die geschichtsmächtigen Taten, die von unseren Vorfahren in den beiden Burgen ausgingen, an wenigen Beispielen erläutern.
Graf Erpo II. von Padberg hat 1101/04 "in unserem Dorfe, das Flechtdorf heißt", ein Kloster gegründet und mit vielen Schenkungen ausgestattet, darunter mehrere Güter und die Einkünfte aus 23 Ortschaften. Der Kölner Erzbischof unterstellt 1140 Kloster Flechtdorfseiner Herrschaft. Zu dieser Zeit stehen die Edlen von Padberg als Ministerialen in Kölner Diensten. Im benachbarten Waldeck erstarkt immer mehr das Geschlecht der Grafen von Schwalenberg-Waldeck, dem es 1160 gelingt, die Vogtei über Kloster Flechtdorf zu erwerben. Das sollte in die Geschichte eingehen als der Beginn einer jahrhundertelangen Rivalität Köln - Waldeck. Sie ist oft genug auf dem Territorium der Padberger ausgetragen worden und hat immer wieder in die Padberger Geschichte eingegriffen.
Vielleicht deshalb verspürt zwei
Generationen später das Padberger Geschlecht, lt. Urkunde "durch Geburt
und vom Glück begünstigt", abermals den Drang zu einer zweiten Klostergründung,
diesmal in dem Raum zwischen den "damals hochberühmten Orten Padberg,
Marsberg und Büren dicht am Fluß Hoppecke". Es ist ein Frauenkloster und
erhält den Namen Breitlar, der sich später zu Bredelar weiterentwickelte. Doch
waren nach einem historischen Bericht "die Nonnen . . . nicht stark oder
schlau genug. . . sich der Zudringlichkeiten zu erwehren, welche sie von ihren
raub- und rauflustigen Nachbarn, den Grenzdynastien von Padberg, Büren, Waldeck
und Hessen zu erdulden hatten". Schon 26 Jahre nach der Klostergründung
stellt der Kölner Erzbischof auf einer Visitationsreise diesen erschreckenden
Sittenverfall in der Waldeinsamkeit des Bredelaer Hoppecketales fest, verjagt
die Nonnen und siedelt Männer an, Zisterzienser aus dem Kloster Hardehausen.
Mit zwei Klostergründungen in nur 70 Jahren haben die Padberger im 12.
Jahrhundert ihrem Namen viel Ehre erworben, von der auch ihre Nachkommen noch
zehren können.
Doch nun stehe ich vor der heiklen Aufgabe, auch von weniger guten Taten zu berichten, die ja, um der historischen Wahrheit willen, nicht unter den berühmten Teppich gekehrt werden dürfen. Zuvor ein grober Umriß der Größe des damaligen Herrschaftsbereiches, die Sie kaum vermuten werden. Er begann im Westen an der Gemarkungsgrenze von Brilon, reichte im Norden bis an das Sintfeld, im Osten bis an die Gemarkungen von Marsberg und Arolsen, und die südliche Begrenzungslinie verlief etwa bei Mengeringhausen - Flechtdorf - Ottlar - Hoppecke.
Da dieses Gebiet heute von vielen gezeichneten Wanderwegen durchzogen wird, waren Sie in dem alten Padberger Herrschaftsbereich bestimmt schon öfter als Wanderer unterwegs und können sich daher gut vorstellen, daß es ein verhältnismäßig großer Territorialbesitz war. Ergänzend ein Blick auf die geografische Lage. Die Herrschaft Padberg liegt im Gebiet der Diemel und ihrer wichtigen Zuflüsse Hoppecke und Rhene. Diese Region berühren bedeutende Heer- und Handelsstraßen. Beispielsweise kam eine von Brilon, führte über Rösenbeck nach Bredelar und weiter über die Eresburg nach Warburg und schließlich zur Weser. Heute ist sie teilweise zur Bundesstraße 7 aufgewertet worden, teilweise wird sie hauptsächlich begangen, nämlich von Ihnen als Wanderer. Der X 16 gleichzeitig europäischer Fernwanderweg 1, dürfte zwischen der Kluskapelle (bei Giershagen) und Obermarsberg der historischen Trasse folgen.
Das Beispiel zeigt, daß manche Fernwanderwege vor Jahrhunderten Fernverkehrsverbindungen gewesen sein können. DamaIs waren es die einzigen befahrbaren Wege, nämlich mehr oder weniger befestigte Höhenwege. Man mied damals für die Wegeführung die sumpfigen Täler, also auch das Diemeltal, und nahm lieber die Beschwernisse der Höhenanstiege in Kauf. Sie ahnen sicher schon, was die Padberger an diesen Straßen verdienen konnten. Sie hatten ja das Recht, den Kaufmannszügen Geleitschutz zu geben; natürlich gegen entsprechendes Schutzgeld. Außerdem konnten sie an ihren Grenzen Zollschranken errichten und Zölle erheben. Grenzen hatte sie übrigens reichlich. Schließlich lag die Herrschaft Padberg Quasi in einem Dreieck zwischen dem kölnisch regierten Herzogtum Westfalen, dem bischöflichen Hochstift Paderborn und der Grafschaft Waldeck.
Diese Grenzlage ist der Herrschaft Padberg genau so zum Schicksal geworden wie die Rivalitäten ihrer Grenznachbarn untereinander. In ihren jahrhundertelang ausgetragenen Grenzkorrekturen ist die Herrschaft Padberg verschlissen worden. Im Rückblick kann man das genau verfolgen. Was 1160 mit einer Auseinandersetzung um die Vogteirechte über Kloster Flechtdorf begann, endete 1414 mit der Einnahme der Stadt Padberg durch die Korbacher, die dabei völlig eingeäschert wurde. Ich will Sie mit weiteren Streitigkeiten nicht langweilen, sondern daran erinnern, daß im 14. Jahrhundert der niedere Adel fast überall in einer Krise war. Von den Einkünften seiner Güter konnte er nicht mehr standesgemäß leben. Entweder zogen die adeligen Familien in die Städte und degenerierten zu Bürgern oder sie blieben auf ihren Burgen und verkamen zu Raubrittern.
Schwer zu sagen, ob die Padberger überhaupt diese Alternative hatten. Im Dauerstreit zwischen Köln, Waldeck und Paderborn haben sie es wahrscheinlich nie verstanden, zu taktieren und zu verhandeln. Sie haben sich vorwiegend auf Kampf und Fehde verlegt. Mal legten sie sich mit dem Fürstbischof von Köln an, mal mit dem Bischof von Paderborn, mal mit dem Waldecker Grafen. Jedesmal verbündeten sich die Nachbarn, und die Padberger hatten es gleichzeitig mit mehreren zu tun. Dagegen verbündeten sich die Padberger nur selten mit ähnlich gesonnenen Adeligen. Solche Schutz- und Trutzbündnisse waren z. B. 1380 der Falknerbund und 1391 der Benglerbund. Dessen berühmt-berüchtigter Anführer ist Friedrich von Padberg. Alle Mitglieder tragen ein Abzeichen auf ihrem Harnisch: einen "Bengel", d. h. einen silbernen Knüppel. Der Name Padberg verbreitet Angst und Schrecken, denn bei Beutezügen in die Gebiete der Gegner wird alles Wertvolle geraubt, ganze Ortschaften werden verwüstet.
Das Kriegsglück wechselte ständig, und häufig genug war am Ende einer bewaffneten Auseinandersetzung die nächste bereits vorprogrammiert. Ich muß mir versagen, darauf einzugehen. Lassen Sie mich mit einer Begebenheit fortfahren, die bis heute Nachwirkungen hinterläßt, sogar regelmäßig und recht weit von hier entfernt. Auf Burg Jaxthausen bei Heilbronn finden alljährlich die bekannten "Götz-Festspiele" statt. Sie gehen zurück auf den berühmten Reichsritter Götz von Berlichingen (1480-1562). Den kennt jeder, weil ihm bekanntlich das am meisten verwendete Goethe-Zitat zugeschrieben wird. Wer weiß aber schon um die Beziehung von Jaxthausen zu Padberg?
1516 kreuzen sich zufällig die Wege von Johann von Padberg und Götz von Berlichingen, als der in der Burg Padberg einen Gottesdienst besucht. Dabei erfährt er, daß Graf Philipp II. von Waldeck dem Erzstift Mainz freundschaftlich "zugetan sei", damit aber lebt Götz in erbitterter Feindschaft. Götz und Johann von Padberg vereinbaren eine "Geiselnahme". Beide lauern nahe der Padberger Kloster-Vogtei Dalheim auf dem Sintfeld südlich Paderborn dem durchreisenden Grafen Philipp von Waldeck auf und nehmen ihn fest. Götz entführte seinen Gefangenen in eine seiner schwäbischen Burgen. Er hielt ihn monatelang gefangen und ließ ihn nur frei gegen Zahlung des sehr hohen Lösegeldes von 8000 Gulden.
Diese historische Tatsache ist mehrfach in die Ritter-Literatur eingegangen. Die anschließende Geschichte über die Verwendung des Lösegeldes ist möglicherweise eine der Legenden, die sich zahlreich uni das Leben von Götz ranken. Danach war es genau dieses Lösegeld, das dem Ritter Götz den Ankauf der Burg Jaxthausen ermöglichte, die bis heute zum Familienbesitz gehört. Ob diese Finanzierungsmethode damals in adeligen Kreisen, die den Herren von Padberg nahestanden, öfter angewandt worden ist, darüber gibt unsere Ortschronik keine Auskunft.
Aber über andere Fehden steht noch
viel darin. Auch darüber, daß ihr wechselnder Ausgang auf die Herren von
Padberg nicht ohne Wirkung blieb. Ihre Burgen sollen zwar niemals von
bewaffneten Feinden eingenommen worden sein, aber 1556 wurde das Alte Haus
verlassen und im Neuen Haus ist 1557 die dort residierende Nebenlinie
ausgestorben. 20 Jahre später, im Salentinschen Rezess, werden beide Burgen als
verfallen angegeben. Dieser nach dem Kölner Kurfürsten und Erzbischof Salentin
von Isenburg benannte Rezess von 1576 ordnete das Verhältnis Köln - Padberg
neu, bedeutete im Ergebnis aber das endgültige »Aus« für
die einst so mächtige Herrschaft Padberg. Von 23 Orten schrumpft sie zusammen
auf nur noch drei:
Padberg, Beringhausen und Helminghausen.
Machen wir nun einen großen Flug durch die Zeit und landen wir erst im Jahre 1758. Die Nachkommen der Herren von Padberg, geteilt in zwei Linien, bewohnen und bewirtschaften einen Oberhof und einen Unterhof. Beide liegen nicht mehr auf den Bergen, sondern am Ortsrand. Die Raubritterunternehmungen der Vorfahren sind Geschichte, und die Herren von Padberg betätigen sich fast schon kapitalistisch-unternehmerisch; zumindest was einen großzügigen Holzeinschlag zur Gewinnung von Holzkohle angeht. Sie war sehr begehrt, denn die vielen Hämmer und Hütten der Umgebung hatten einen großen Bedarf.
Die Bürger von Padberg hatten in den Waldungen der Herrschaft das Huderecht, jeder Bürger durfte eine bestimmte Anzahl Schweine und Rindvieh darin mästen, außerdem Bau- und Brennholz im Wald holen. Die Bürger sahen ihre Wald- und Holznutzung gefährdet, weil die Herren von Padberg zuviel Holz verkohlen ließen.
Das Zeitalter der Aufklärung hat bekanntlich das bürgerliche Bewußtsein gestärkt, nicht zuletzt das der Padberger Bürger. Sie nahmen den herrschaftlichen Holzfällern die Äxte weg und verhinderten damit weiteren Holzeinschlag. Es entstand ein Rechtsstreit, der durch alle Instanzen geführt wurde bis zum Reichskammergericht. Das entschied gegen die Bürger. Die aber weigerten sich, das Urteil anzuerkennen, was wiederum eine Strafe von 1000 Talern zur Folge hatte. Die Bürger verweigerten auch deren Zahlung und verhinderten weiterhin die Verkohlung des Holzes.
Schließlich eskalierte der Streit so sehr, daß die kurfürstliche Regierung eingriff und ein Truppenaufgebot von Infanterie, Husaren und Artillerie, im ganzen 475 Mann, einen Belagerungsring um Padberg ziehen ließ. Die Bürger mußten einsehen, daß Widerstand sinnlos geworden war und kapitulierten. Die nun verhängten hohen Geldstrafen, zwischen 12 und 90 Reichstaler je Familie, waren noch milde im Vergleich zu den Strafen der Rädelsführer, die zum Tode verurteilt wurden. Der Kurfürst wandelte später zwar die Todesstrafen in Zuchthausstrafen um bzw. erließ auch diese 1770, indem er sie außer Landes verwies. Dieser "Aufstand der Padberger Rebellen" aber ist in die Geschichte Westfalens eingegangen. 1758 waren die Bürger trotz beispiellosen Widerstandes auf der Verliererseite. Aber ihre Nachkommen kamen mit 50-jähriger Verspätung doch noch zum Erfolg. 1806 wurden die Waldberechtigungen von dem heute noch hier ansässigen Geschlecht der Droste zu Vischering neu geordnet. Dabei entstand der Gemeindewald von Padberg, wie er heute noch besteht.
Heute ist leider vergessen, daß die Padberger im 12. Jahrhundert mit der Gründung von Klöstern dafür gesorgt haben, daß sich zwischen Brilon, Marsberg und Korbach fromme Lebensart ausbreitete, aber auch Handwerk und Landbau. Denn die Klöster waren Zentren nicht nur des religiös-kulturellen, sondern auch des wirtschaftlichen Lebens. Die Padberger Raubritter des 13. und 14. Jahrhunderts sollen gelegentlich noch in einigen Köpfen herumgeistern, aber sicher nur in solchen, die uns mißgünstig gesonnen sind.
Die "Padberger Rebellen" aus der Mitte des 18. Jahrhunderts kehrten tatsächlich 1883 noch einmal aus der Geschichte zurück: beim Schützenfest kam es zu einer später "Schlacht unter den Linden" genannten großen Rauferei. Drei Ärzte hatten alle Hände voll zu tun, um Wunden zu vernähen und zu verbinden.
Ich denke, Sie könnten sich bei einem Besuch davon überzeugen, daß in der Gegenwart in Padberg nur noch friedliebende Menschen leben. Ich würde mich als Ortsheimatpfleger freuen, wenn Ihnen das Dorf mit den zwei Kirchen zwischen den zwei Burgruinen so gut gefüllt, daß Sie häufiger als Wanderer hierher kommen.