Fräulein Katharina und der Kronprinz von Preußen

In den Hohlwegen der Heidenstraße zogen die Fuhrwerke und die Kiepenkerle aus aller Welt. Der Speicher in der Küstelberger Dorfmitte war ständig mit Waren vollgestapelt.

Drei Backhäuser standen um 1797 im Ort, um das Brot an die Fuhrleute zu verkaufen. Wer Herberge suchte, bekam in den Wirtshäusern auch Verzehr. Auf Gäste, die selbst Proviant mitbrachten, legten die Küstelberger nur geringen Wert:  

Ein Fuhrmann, der ein Knastert ist  
und auf seinem Sack Schinken frißt  
und tut mitbringen Haber und Heu,  
der bringe auch mit Stall und Streu!  

Dieser Spruch stammte aus dem Küstelberg des 18. Jahrhunderts. Im nämlichen Jahrhundert, im Jahre 1749, wurde auf dem alten Klostergrundstück, auf den Grundmauern eines 1666 errichteten Gebäudes das schöne Fachwerkgiebelhaus Padberg erbaut. Es gehörte bald zu den gediegenen Gasthöfen an der Heidenstraße. Selbst König Friedrich der Große, bekannt als der "Alte Fritz", kehrte vor 1780 hier ein. Zuvor soll er mit seinem Gefolge am Schloßberg gerastet haben. Die Gegend dieser Rast heißt bis heute "Friedrichsruh".

Ob die Rast des Königs Friedrich des Großen für die folgende Geschichte eine Rolle spielte? Im Jahre 1833 jedenfalls, in einer windigen Herbstnacht vom 14. auf den 15. Oktober, kehrte der damalige preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm in dem Gasthof ein , um seinen Geburtstag zu feiern.  

 

Friedrich Wilhelm IV.

 

Die königliche Kutsche war mit nur wenig Gefolge war von der Ruhrquelle her im Dunkeln vom königlichen Straßenbaumeister Friedrich Böse hoch zu Roß, mit einer Laterne am Sattel, auf holprigem Fuhrweg nach Küstelberg geführt worden. Halb zehn Uhr hielt der Kutscher vor dem Gasthof die Pferde an. Da standen im Hofe die Knechte und Mägde mit Öllämpchen in den Händen und leuchteten dem königlichen Gefolge. Vor der Gasthaustür, unter den rauschenden Kastanienwipfeln, wartete das Wirtshausfräulein Katharina Padberg auf den hohen Gast. Seit dem Tode ihres Vaters führte die junge Frau mit ihrer Mutter allein die Wirtschaft. Jetzt pochte ihr Herz, als im fahlen Licht der Kronprinz nebst seinen Begleitern aus der Kutsche stieg. Willig ließ sie sich von Baumeister Böse am der Hand nehmen und vor den Königssohn führen. Sie knickste. Der Kronprinz bedeutete ihr leutselig, ihn ins Haus zu begleiten.

Franz Ignaz Pieler, ein Arnsberger Gymnasiallehrer, berichtete über den weiteren Verlauf: "In dem ländlichen Gasthaus bei Fräulein Padberg war alles aufgeboten, was in der Eile möglich war, um den Hohen Gast nicht gar zu viel vermissen zu lassen. Der leutselige königliche Herr wohnte sich auch bald ein, und er hat der Wirtin wiederholt seine Zufriedenheit mit der guten Bewirtung und dem bequemen Aufenthalt ausgesprochen, sich auch mit ihr und den übrigen Hausbewohnern mehrmals ganz heiter unterhalten."

Am nächsten Mittag, nach fröhlicher Geburtstagsnacht, lobte der Kronprinz Fräulein Katharinas Küche, ließ die junge Frau zu sich kommen, bedankte sich und versprach ihr die Erfüllung eines Wunsches. Katharina tat einen Kniefall und erbat nach Küstelberg bessere Straßen. Dann setze das königliche Gefolge seine Reise fort, während um das alte Gasthaus regnerischer Wind die Blätter verwehte.

Soweit die Geschichte vom 14. und 15. Oktober 1833 und der königlich preußischen Geburtstagsnacht. Der Kronprinz im übrigen hielt sein Versprechen. Die Straßen nach Winterberg und nach Medebach wurden ausgebaut. Gleichzeitig bedeutet der Bau befestigter Straßen das Ende alter Höhenwege. Die Hohlwege der Heidenstraße verfielen. In den Karrenspuren wucherten schon um die Jahrhundertmitte Gebüsch und Gestrüpp.  

 

Hohlweg der Heidenstraße bei Küstelberg

 

Das Wirtsfräulein Katharina übrigens heiratete schon im Jahre 1834 den Landwirt Franz Ewers. Beider Sohn, Carl Ewers, stellte 1866 im einstigen Warenspeicher an der verfallenen Handelsstraße Webstühle auf und begründete die spätere Strumpffabrik. Eine Freundin der Küstelberger Wirtin Katharina Padberg, verheiratete Ewers, war die am 1. März 1801 in Wengern bei Gevelsberg gebürtige Henriette Davidis, die das erste deutsche Kochbuch schrieb. In den Jahren 1842 und 1843 verbrachte die Schriftstellerin mehrere Wochen im Gasthaus ihrer gleichaltrigen Küstelberger Jugendfreundin und notierte unter anderem ein Kochrezept "Kalbfleich in Gelee nach Küstelberg". In Henriette Davidis' "Praktischen Kochbuch" steht das Rezept unter "Gelees (Sülzen) und Gefrorenes" beschrieben. Ob der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, nachdem er 1840 den Thron bestieg, das Rezept jemals zu Gesicht bekam und an seine Geburtstagsfeier 1833 im oberen Sauerland erinnert wurde? In Küstelberg jedenfalls blieb jenes Ereignis der windigen Oktobernacht noch jahrzehntelang in aller Mund.  

 

Quelle und Autor sind unbekannt

 

zurück zur Übersicht